Medizinwissenschaft und Macht

Physikalistisches Weltbild und Lobby-Interessen: Störfelder der Medizinforschung

Wissenschaft und Macht sollten im Grundsatz nichts miteinander zu tun haben. Erkenntnis kann weder befohlen noch gekauft werden, sie ist nicht einmal Gegenstand demokratischer Willensbildung. Wissen sollte allgemein zugänglich sein und Forschung ist nur dann Forschung, wenn sie ergebnisoffen ist. In der Praxis sieht freilich manches anders aus.

ForschungWissenschaftliche Erkenntnis kann nicht in einem neutralen, luftleeren Raum stattfinden. Forschung wird unvermeidlich durch die forschenden Persönlichkeiten mit geprägt. Das Subjekt kann nicht einfach ausgeschaltet werden, weder durch statistische Verfahren noch durch Verblindung. Ein anderer Ansatz wäre daher, die Rolle des Subjektes — sowohl des Forschers wie auch beispielsweise des Patienten als so genanntem Forschungsgegenstand — konstruktiv und in reflektierter Weise einzubeziehen. Entsprechendes gilt für das Welt- und Menschenbild, das jedem therapeutischen Handeln und jeder Forschung implizit, bewusst oder unbewusst, zugrunde liegt.

In weiten Teilen der wissenschaftlichen Welt herrscht die Tendenz, das Leben als einen komplizierten biomolekularen Mechanismus und Geist als neurologische Funktion zu verstehen. Weil das netter klingt, nennt man das physikalistisches Weltbild oder Naturalismus. Jedes Weltbld beruht auf Grundannahmen, die ja haben kann, der möchte. Grundannahmen sollten lediglich als solche bewusst sein. Grundannahmen sollten reflektiert und diskutiert werden, da andernfalls falsche Vorstellungen von Faktizität entstehen. Man schaut durch eine bestimmte Brille und nennt das Fakten. Was nicht hineinpasst, wird ausgeblendet: Solche Fakten-Auslese nennt man Reduktionismus. Wenn wir hingegen in der Forschung von Geist und Leben als primären Wirklichkeiten ausgehen und Materie letztlich als Wirkung sehen, dann führt dies unvermeidlich anderen Forschungsmethoden und anderen Erkenntnissen. Es geht insofern nicht um „falsch“ oder „richtig“, sondern um die Bewusstmachung des grundlegenden Weltbildes und um die Eignung gegebener wissenschaftlicher Ansätze für eine bestimmte Fragestellung. Sei dies die langfristige Heilung einer bestimmten Krankheit, die Förderung der Gesundheit des individuellen Menschen oder auch die Gesundheitsförderung im sozialen Zusammenhang.

Forschung benötigt erhebliche finanzielle Mittel. Immer steht die Frage der Finanzierung im Raum. Forschungsergebnisse bestimmen wiederum häufig Entscheidungen von großer wirtschaftlicher Tragweite. „Evidenzbasierte Medizin“ versteht sich nicht nur als wissenschaftlicher Ansatz, sondern gleichermaßen als wirtschaftliches und politisches Steuerungsinstrument. Immer noch wird ein großer Teil der Medizinforschung von der Pharmaindustrie finanziert. Die Homöopathie-Kritik eher indirekt über große Stiftungen. Wir wollen hier keiner Verschwörungstheorie das Wort reden. Solcher bedarf es nicht, um wechselseitige Beeinflussungen festzustellen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, zwischen Forschung und Macht. Es gibt sogar Studien zum Einfluss der Geldgeber auf die Medizinforschung:

So interessant wie brisant sind die folgenden Betrachtungen zur Finanzierung von Wissenschaft und Forschung, veröffentlicht mit dem harmlosen Titel:

Ein eklatantes Beispiel für solche Zusammenhänge war das 2005 in der Schweiz abgeschlossene „Programm zur Evaluation der Komplementärmedizin“. Da fragt schon der Laie: Wenn Homöopathie nicht besser als Placebo wirken sollte, warum mussten laufende Studien massiv politisch beeinflusst werden, um ein ein solches Ergebnis hervorzubringen? Mehr zum konkreten Vorgang siehe hier:

In der Schweiz redet heute niemand mehr von der so offensichtlich manipulierten sog. Egger-Studie (Shang et.al). Doch international (zuletzt auch in Australien) holen Skeptizisten sie immer wieder aus der Schublade.

Macht- und wirtschaftspolitische Einflussnahme ist nur eine Facette. Bei genauer Beobachtung sieht man auch eine verdeckte weltanschauliche Auseinandersetzung, eine Art modernen Glaubenskrieg. Verdeckt, weil Glauben und Weltanschauung meistens nur einer Seite unterstellt wird. Wenn wir Glauben einmal mit Grundannahmen übersetzen, können wir sagen: Auf der einen Seite ist da ein Glauben an die grundsätzliche Erklärbarkeit von Geist, Leben und überhaupt sämtlichen Phänomenen aus den Gesetzen der Materie hinaus. Auf der anderen Seite steht die Empfindung, dass Geist und Leben einer Welt zugehören, von denen wir bislang eher wenig ahnen die wir mit den bekannten Mitteln nur sehr unzureichend verstehen können. Dies ist eben zunächst nur eine Empfindung und so ahnen wir schon, dass wir für weiterführende Erkenntnisse andere Methoden, andere Herangehensweisen benötigen. Und da sind heute manche Wissenschaftler schon sehr viel weiter, als dies im allgemeinen Bewusstsein steht.

Gleich von welchen Grundannahmen (Prämissen) wir selbst ausgehen, es ist hilfreich, diese ins Bewusstsein zu heben und zu reflektieren. Merkwürdigerweise verhalten sich manche, die besonders laut gegen Homöopathie als angebliche Glaubensheilkunde schimpfen, selbst wie radikalisierte Glaubensgemeinschaften. Ein unter dem Gesichtspunkt der Schattenbetrachtung durchaus interessantes Phänomen. In den so genannten Skeptiker-Organisationen, die auf ein ausschließlich rationalistisches Weltbild setzen, arbeiten denn auch fast keine Mediziner mit. Die Grundanliegen der Skeptiker-Organisationen haben mit Gesundheit und Medizin in aller Regel wenig zu tun. Sondern nach eigenem Bekunden viel mehr damit, was nach ihrem Dafürhalten als „vernünftiges Denken“ zu gelten habe — also um die Herrschaft einer bestimmten Denkweise über den menschlichen Geist. Die Homöopathie liefert hier lediglich einen Stein des Anstoßes. Sie fordert uns auf, über bisherige Grenzen hinaus zu denken — und zu forschen.

Resümee und Ausblick

Forschung entspringt grundmenschlichem Erkenntnisstreben. Forschung ist vom forschenden Subjekt nicht zu trennen. Sie kann daher nie im letzten Sinne objektiv sein. Einen ganz erheblichen Einfluss hat das jeweils zugrunde liegende Welt- und Menschenbild. Solange lebensfernes Spezialistentum, materialistischer Reduktionismus oder Interessenpolitik den Ton angeben, werden sich auch Forschungsergebnisse lebensentfremdend auswirken. Unentbehrlich für eine Medizinforschung, die dem Leben und dem ganzen Menschen dienen soll, ist daher — neben Interessenunabhängigkeit — eine Reflexion und womöglich auch spirituelle Erweiterung unseres Welt- und Menschenbildes.

Für die Gesamtmedizin und nicht nur für Homöopathie und Komplementärmedizin benötigen wir in der Forschung neue Wege, wenn die Forschung zu einer umfassend menschenwürdigen Medizin und Heilkunst beitragen soll. Doch auch die bereits vorhandenen Studien zeigen sehr ermutigende Ergebnisse für die Homöopathie.

Carl Classen, 2010 / 2023

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