Liebe KollegInnen, liebe Freunde,
vor wenigen Tagen schrieb ich den Artikel „Purzelbäume der Skepsis„. Darin thematisiere ich nicht nur den Umgang mit Forschungen zur Homöopathie, sondern ebenso die Verwechslung von Wissenschaft und Weltanschauung, die Verkehrung des Humanismus durch bestimmte Gruppierungen und stelle die Frage, welche Art von Wissenschaft für Mensch und Erde wirklich brauchen.




Der Marsch wird auch anderweitig kontrovers diskutiert, denn unser Bildungssystem braucht, von den Kindergärten bis zu den Hochschulen, viel dringender Reformen als unkritische Fan-Clubs. Die Freiheit der Wissenschaften ist nicht alleine durch narzisstische Autokraten bedroht, sondern in viel größerem Umfang dadurch, dass 90% der Forschung heute unmittelbar für industrielle Zwecke erfolgt, dass die rund 10% verbleibender Hochschul-Forschung zunehmend durch sog. Drittmittel finanziert sind und die Wirtschaft zudem auch bei der Vergabe staatlicher Zuschüsse fett in den Gremien der Ministerien sitzt (1). Das muss thematisiert werden, statt mit Image-Kampagnen sich selbst zu feiern!
Was aber den „Earth Day“ anbelangt, so identifiziert sich nach meinen bisherigen Erkenntnissen ausschließlich das US-amerikanische Earth Day Network, earthday.org mit dem Marsch. Die ebenfalls international tätige kanadische Earth Day Organisation, earthday.ca sowie das deutsche Earth Day Komitee earthday.de (diesjähriges Motto: „Grüne IT für’s Klima“) wiesen hingegen die Kooperation zurück.
Die kanadischen Earth Day Aktivisten kritisieren: „In den USA wird der Begriff ‚Earth Day‘ als frei verwendbar betrachtet. Somit kann jeder und können auch profitorientierte Unternehmen diese Worte verwenden, um für den Verkauf ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu werben oder ihr öffentliches Erscheinungsbild aufzupolieren, selbst wenn ihre Produkte oder Dienstleistungen überhaupt nicht umweltfreundlich sind. Dadurch hat der Begriff ‚Earth Day‘ in den USA seinen Wert verloren und stellt für die Öffentlichkeit keinen Zusammenhang mit ökologischer Verantwortung mehr her.“

Wissenschaft ist derweil ihrem Wesen nach weder eine Welterklärungs- noch eine Fakten-Fabrik, sondern beinhaltet zunächst ganz einfach die Kunst, in geeigneter Weise Fragen zu stellen.
Fazit:
Eigentlich könnte es eine gute Sache sein, der Science March. Wenn man nicht nur marschieren, sondern viel mehr noch debattieren würde, welche Forschung und welche technischen Entwicklungen Mensch und Erde wirklich brauchen, statt dies fast ausschließlich durch (Macht- und) Wirtschaftsinteressen bestimmen zu lassen.
C. C., 21./23.4.2017
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(1) Prof. Dr. Christian Kreiß, Hochschule Aalen, zur heiklen Frage Finanzierung der Forschung, 2015 in einem Fachgespräch zum Thema wissenschaftliche Verantwortung. Lesenswert!
(2) Bildquellen: u.a. Pressearchiv von marchforscience.de

